Judenverfolgung
Brief von Banjamin Sklarz
Lieber Herr Bamert,
Vielen Dank fuer Ihre freundlichen Zeilen.
Sie haben richtig erraten dass wir wegen der Judenverfolgung nach England
geflohen sind. Mein Vater wurde in 1933, bald nach dem erfolgreichem
Abschluss seiner Studien als Studienassessor fuer Sprachen an der Universitaet
Breslau, von der Nazi Regierung in Ruhestand gesetzt. Er wurde, mit so viel
anderen, am 10 November 1938 verhaftet (sog. Rath Aktion), nach Buchenwald
gebracht und ende Dezember entlassen, mit dem dringeneden Rat nichts zu
erzaehlen und auszuwandern, was dammals garnicht einfach war.
Er erhielt durch Bekannte und Wohltaetige eine nuechterne Stelle als
Sprachlehrer (Englisch) fuer "refugees", wie wir es waren. Sein Englisch u.
Franzoesich waren fliessend und akzentfrei.
So fuhren wir im Juli 1939 (mit meine Schwester Eva, 2.5 und mir, 4) von
Cuxhaven nach England.
Schon im Laufe des Krieges bekam mein Vater eine voruebergehende Stelle an einer Hochschule. Er hat in London (im Blitz) wieder studiert (BA), weil man in der
ersten Zeit sein breslauer Studium nicht anerkannte, und er als Anfaenger
bezahlt wurde. Erst spaeter wurde seine Karriere in Deutschland anerkannt
und dann bekam er entsprechenden Lohn. Er unterrichtete dann an englischen
Staatschulen Deutsch, Franzoesisch, Latein und privat auch Hebraeisch und Griechisch,
kurz - ein Klassiker im alten Stil. Er war in der juedischen Bibel- und
Talmudliteratur bewandert und unterrichtete uns Kinder vom Anfang darin. Meine tapfere, tuechtige Mutter richtete aufs neue ein schoenes und gemuetliches Heim ein, in einer Kellerwohnung in N. London in der wir den Blitzkrieg und die V-1 und V-2 Angriffe durch- und ueberlebten - sie diente sogar als Luftschutzraum fuer die Nachbaren, die auch die
bekannten Kuchen meiner Mutter geniessen konnten.
Die Sorge, Bange und dann trauer um die Geschwister und ihre Familien, die
die Eltern in Deutschland (Breslau und Berlin) hinterliessen, begleitete
auch uns Kinder.
Sie wurden in 1941 "nach Osten" deportiert und in selbst-gegrabenen
Massengraebern umgebracht. Mein Vater hat spaeter Nachfragen angetragen,
die solche Antworten ergaben.
Der aelteste Bruder meines Vaters fiel als deutscher Soldat im ersten
Weltkrieg (1916) in Frankreich, der naechste wanderte in 1939 nach Chile aus. Seine aeltere Schwester blieb mit Mann und drei halbwuechsigen Kindern in Berlin und sind alle, wie gesagt, umgekommen. Ein muetterlicher Onkel kam auch nach England. Die
Soehne von einem (ein "Eisernes Kreuz" Kaempfer) der zwei umgekommenen Brueder
meiner Mutter kamen mit einem"Jugendtransport" nach dem dammaligen Palaestina und
haben hier grosse und musterhafte Familien gegruendet. Ihre 4 Schwestern und
der Onkel in Berlin mit Frau und KInd wurden, wie gesagt, deportiert.
Meine juengere Schweste und ich haben in England erstklassige
Staatsschulausbildung genossen und haben bezw. in London und Cambridge
studiert.
Unsere Londoner Umgebung war juedisch und unser Heim
traditionstreu, und so haben auch wir unsere Kinder erzogen, zwar schon
hier in Israel. Meine Schwester ist hier jung gestorben ist, aber von ihren zwei
Toechtern haette sie jetzt viele Enkel genossen.
Zu hause wurde absichtlich nur Deutsch gesprochen, und in der Schule lernten
wir halt echtes Englisch - dies war die Einsicht und Absicht meines Vaters
als Sprachler. Was Lesen anbetrifft, lernten wir noch vor der Schule beim
Vater Hebraeisch.
Meine Eltern sind beide in 1966, vor meiner Ehe und Auswanderung,
verschieden.
Wir haben 5 erwachsene gute Kinder, 3 schon verheiratet, mit 8 Enkelkindern.
Ich mit Mitglied des Vereins ehemaliger Breslauer und Schlesiger und lese
gern seine "Nachrichten", die zwei mal im Jahr (auf Deutsch) erscheinen.
Richtig klare Erinnerungen an Breslau habe ich natuerlich nicht.
Sie haben da mit Ihrer einfaeltigen Frage eine ganze Flut ausgeloest.
Jetzt bitte Ich um Entschuldigung, aber da ich sie schon geschrieben habe, schicke ich sie doch fort.
Ihr,
Benjamin Sklarz
© 2003 Kurt
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